Concentus Musicus Wien

Ein Überblick

Als Originalklangensemble der ersten Stunde hat der Concentus Musicus Wien der historischen Aufführungspraxis und ihrer Erfolgsgeschichte den Weg geebnet. Gegründet wurde das Orchester 1953 von Nikolaus Harnoncourt, der das Orchester bis 1987 vom Cello aus leitete und bis heute künstlerischer Leiter ist. „Die Musik jeder Epoche kann mit den Klangmitteln ihrer Zeit am lebendigsten dargestellt werden“, lautet Harnoncourts Credo. Mehr als vier Jahre lang verbrachten die Musikerinnen und Musiker des Ensembles zunächst ausschließlich mit Probenarbeit, feilten am Klangbild und einer authentischen Interpretation barocker und vorbarocker Werke, bis sie 1957 im Wiener Palais Schwarzenberg erstmals ein Konzert gaben. Das Ereignis fand rasch seine Fortsetzung: mit jährlichen Konzertzyklen in Wien, Gastspielreisen (ab 1960) und einer Vielzahl von Schallplatteneinspielungen – die Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach markierten hier den Anfang. Zu den vielen spektakulären Projekten des Concentus Musicus Wien zählt u.a. die Gesamtaufnahme aller Bach’schen Kantaten, die zwischen 1970 und 1990 entstand und mit einem Gramophone Award ausgezeichnet wurde. Auch mit Operneinspielungen ist das Ensemble hervorgetreten: Erwähnt seien zum Beispiel Mozarts Lucio Silla und Il re pastore, Haydns Armida, Purcells Dido and Aeneas und The Fairy Queen oder Monteverdis Orfeo, außerdem zahlreiche Oratorien von Georg Friedrich Händel. Das Repertoire des Concentus spannt sich heute von der Renaissance bis zu Haydn und Mozart, es umfasst gleichermaßen geistliche und weltliche Werke. Konzertmeister in der Nachfolge von Alice Harnoncourt ist Erich Höbarth, für den Continuo an Cembalo und Orgel sorgt Herbert Tachezi.

Zeittafel

1949 Gründung des Wiener Gamben-Quartetts, bestehend aus Nikolaus Harnoncourt, Eduard Melkus, Alfred Altenburger und Alice Hoffelner
1950 Das Wiener Gamben-Quartett musiziert Bachs „Die Kunst der Fuge“ in Wien, Graz, Badgastein und Salzburg
  Beginn der künstlerischen Freundschaft zwischen Nikolaus Harnoncourt und Gustav Leonhardt
1952 Nikolaus Harnoncourt wird Cellist bei den Wiener Symphonikern, was er bis 1969 bleibt
1953 im Herbst Gründung des – vorerst noch namenlosen – Concentus Musicus Wien (CMW), gemeinsam mit einigen Kollegen aus den Reihen der Wiener Symphoniker
  Beginn der Forschungs- und Probenarbeit
1954 inoffizielles Debüt des – noch immer namenlosen – CMW mit Monteverdis „L’Orfeo“ unter Paul Hindemith bei den Wiener Festwochen im Konzerthaus (Regie: Leopold Lindtberg)
1957 im Mai erster offizieller Auftritt als Concentus Musicus Wien anlässlich der Wiedereröffnung des Palais Schwarzenberg in Wien
  im Juni Konzert im Grazer Schloss Eggenberg, gemeinsam mit Gustav Leonhardt
1958 Beginn der Konzerttätigkeit im Palais Schwarzenberg, wo kontinuierliche Auftritte bis 1962 folgen
1959 zum „Haydn-Jahr“ musiziert der CMW erstmals ein Haydn-Programm
1960 erste Auslandsreise nach Rom
  bei einem Konzert im Grazer Schloss Eggenberg tritt Alfred Deller erstmals in Österreich auf
  Nikolaus und Alice Harnoncourt schließen Bekanntschaft mit dem deutschen Instrumentensammler und Mäzen Hans Eberhard Hoesch
1962 im Februar erstes Konzert im Mozart-Saal des Konzerthauses, auf das eine ständige eigene Konzertserie im Mozart-Saal bis 1971 folgt
  zum Jahresende erfolgt die erste Aufführung der Brandenburgischen Konzerte
1965 erste Aufnahme der Johannes-Passion
  erster Auftritt beim Holland-Festival
1966 erste Tournee durch die USA und Kanada
  erster Auftritt bei Alfred Dellers Festival „Stour Music“
1967 erste Aufführung von Monteverdis „Il ritorno d’Ulisse in patria“ für Sveriges Radio Stockholm
  Dreharbeiten zu Jean-Marie Straubs Film „Die Chronik der Anna Magdalena Bach“
1968 zweite USA-Tournee
  erste Deutschland-Tournee
1969 erste Aufführung von Bachs Weihnachtsoratorium für Radio Bremen
1970 erste Aufnahme von Bachs Matthäus-Passion
1971 erste Opernproduktion für die Wiener Festwochen im Theater an der Wien: „Il ritorno d’Ulisse in patria“ (Regie: Federik Mirdita) – Nikolaus Harnoncourt leitet den CMW von der Tenorviola aus
  Auftritt bei Karl Richters Münchener Bach-Fest
  dritte USA-Tournee
  Exklusivvertrag mit Telefunken
  Beginn der Gesamteinspielung der Bach-Kantaten
1973 szenische Aufführung von Monteverdis „L’Orfeo“ in Amsterdam (Regie: Filippo Sanjust)
  erstes Konzert im Großen Musikvereinssaal mit Purcells „The Fairy Queen“, gemeinsam mit dem Stockholmer Kammerchor; Nikolaus Harnoncourt leitet den CMW von der Tenorviola aus, am Dirigentenpult steht Eric Ericsson
1974 vierte USA-Tournee
1975 Tournee durch Australien und Neuseeland
1978 im September Beginn der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit dem Arnold Schoenberg Chor mit „Jephta“ im Großen Konzerthaussaal
  fünfte und für lange Zeit letzte Tournee durch die USA und Kanada
  im Dezember Beginn des Concentus-Abonnement-Zyklus im Wiener Musikverein (1978/79 zunächst im Brahms-Saal, ab 1979/80 im Großen Saal)
1980 Japan-Tournee
  Mozart-Requiem im Großen Musikvereinssaal in Wien: Dieses Konzert ist Auslöser für eine umfassende Auseinandersetzung mit Mozarts Sakralwerk, das bis 1998 komplett aufgeführt und auf CD aufgenommen wird
1984 erste Live-Aufführung der Johannes-Passion im Großen Musikvereinssaal
1985 Händels „Giulio Cesare“ bei den Wiener Festwochen im Theater an der Wien (Regie: Federik Mirdita)
  erste Live-Aufführung der Matthäus-Passion beim neu gegründeten Festival „styriarte“ im Grazer Dom
1987 Harnoncourt leitet den CMW zum letzten Mal vom Cello aus
1993 gemeinsam mit dem CMW gibt Nikolaus Harnonocurt sein Operndebüt bei den Salzburger Festspielen: „L’incoronazione di Poppea“ im Großen Festspielhaus (Regie: Jürgen Flimm)
1995 Haydns „L’anima del filosofo“ bei den Wiener Festwochen im Theater an der Wien (Regie: Jürgen Flimm)
  Beginn der Auseinandersetzung mit Mozarts sinfonischem Spätwerk: Symphonie KV 551 (Jupiter) bei der styriarte Graz
1997 Händels „Alcina“ bei den Wiener Festwochen im Theater an der Wien (Regie: Jürgen Flimm)
  erste Begegnung mit Schubert: „Lazarus“ bei der styriarte in der Pfarrkirche Stainz
1998 Mozarts Symphonie in Es-Dur KV 543 und das Klarinettenkonzert im Musikverein
2000 zweite Aufnahme der Matthäus-Passion
2001 Mozarts Symphonie in g-moll KV 550 im Musikverein
  beim Festival „Osterklang“ musiziert der Concentus erstmals Beethoven: „Christus am Ölberge“
2003 erstmals musiziert der CMW in der neuen Grazer Helmut-List-Halle: Händels Alexanderfest im Rahmen der styriarte
  Haydns „Schöpfung“ zum 50-Jahr-Jubiläum des Ensembles im Großen Musikvereinssaal
2004 neue Annäherung an Telemanns Der Tag des Gerichts (Helmut-List-Halle Graz)
  Opernproduktion der Salzburger Festspiele: Purcells King Arthur (Regie: Jürgen Flimm)
2005 umjubelte Aufführung von Mozarts Lucio Silla im Theater an der Wien (Regie: Claus Guth)
  Benefizkonzert für die Stiftung Hartheim (Zwischen 1940 und 1944 wurden in Schloss Hartheim nahezu 30.000 Menschen, von den Nationalsozialisten als „lebensunwert“ klassifiziert, in der Gaskammer ermordet. Die Stiftung Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim verfolgt des Zweck, die Verbrechen der NS-Euthanasie aufzuarbeiten und die Erinnerung daran wachzuhalten.)
2006 Mozartjahr 2006 (Lucio Silla, Zaide, Die Schuldigkeit des ersten Gebots, La Betulia Liberata, Requiem, etc.)
  Tournee durch Japan und Südkorea mit Mozarts Requiem, Händels Messias und Werken von Bach
2007 Haydns Jahreszeiten im Rahmen der styriarte Graz
  Haydns Orlando paladino im Theater an der Wien (Regie: Keith Warner)
2008 neue Annäherung an Bachs Johannes-Passion im Wiener Musikverein
stürmisch gefeierte styriarte-Produktion von Mozarts Idomeneo („ein Jahrhundertereignis“, Frankfurter Rundschau), die Nikolaus Harnoncourt nicht nur dirigiert, sondern auch inszeniert

Milan Turkovic, Monika Mertl, Die seltsamsten Wiener der Welt. Nikolaus Harnoncourt und sein Concentus Musicus. 50 Jahre musikalische Entdeckungsreisen, 2003

 

 

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